Er kam 1968 nach Konstanz an die
Uni, der politisch und sozial engagierte Student
Jochen Kelter. Seit beinahe vier Jahrzehnten wohnt er in der Schweiz, von Zürich bis Tägerwilen
am Seerhein. Mit wachem Geist, geschärftem
Witz, gelegentlich mit einem Arm voll
Poesie hat der ständige «Grenzübergänger-in-alle-Richtungen» seinen Status, seine Arbeit,
seine Begegnungen mit Zeitgenossen untersucht,
analysiert, kritisiert, kommentiert oder
ganz einfach in wunderschönen poetischen
Bildern uns in Hirn und Herz geschrieben.
In seinen hier vorgelegten Essays und Texten
aus über zwei Jahrzehnten behandelt er engagiert,
oft liebevoll, mitunter auch mit offenen Worten
Themen wie das Schweigen der Intellektuellen
zur Tagespolitik, das Überschreiten kultureller
Grenzen, die Überflüssigkeit von Nationalgrenzen,
Heimatgefühle, Kultur auf dem Land, Dableiben,
Weggehn und Wiederkommen, Idyllen
und Widerwärtigkeiten.
Band II:
Im Frühjahr 2008 erschien ein zweiter Band mit Essays und Texten von Jochen Kelter im Waldgut Verlag:
Ein Ort unterm Himmel – Leben über die Grenzen (2008).
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Pressestimmen:Aus der Buchbesprechung
Die Liebe zum Thurgau von Klaus Hübner in den
Schweizer Monatsheften und unter
www.literaturkritik.de
«Der 61-jährige Lyriker und Prosaschriftsteller Jochen Kelter, in Köln geboren, lebt schon seit 1969 auf der schweizer Seite des Bodensees. In einem Essay-Bändchen, dessen Titel bereits explizit auf die Schweiz verweist, hat er nun dreizehn aus ganz unterschiedlichen Anlässen entstandene ‹Texte› aus über 25 Jahren zusammengestellt. Man darf derartigen Textsammlungen durchaus mit einer gewissen Skepsis begegnen, mit einem gewissen Anfangsverdacht – zu oft schon hat man so genannte ‹Buchbindersynthesen› zur Kenntnis nehmen müssen, mit wenig Liebe oder Sorgfalt aneinandergereihte Gelegenheitsarbeiten ohne erkennbare Struktur und von meist nur geringem Nutzen. Das ist hier gottlob nicht der Fall. Zwar wird man bei der Lektüre des anregenden und streckenweise zauberhaften Büchleins auch auf Überschneidungen und Wiederholungen stoßen (...) – den intellektuellen wie ästhetischen Reiz der Textsammlung schmälern diese Beobachtungen keineswegs.
Mit dem Thema ‹Heimat› hat sich Jochen Kelter beschäftigt, seit der deutsche Staat seine Universitätslaufbahn unter Hinweis auf die nicht ausreichende Verfassungstreue des Konstanzer Dozenten beendet hat. Als schreibender Bewohner einer Grenzregion sieht er ‹Heimat› als eine fiktive, von jeglicher Staatlichkeit nicht erreichbare Zone an, als etwas, das sich jeder je nach seinen Bedürfnissen selber schafft. Seine Reflexionen über das Leben im thurgauischen Tägerwilen, in Konstanz und am Bodensee, ja im gesamten alemannischen Raum scheinen aus der Sicht eines liebenden Exilierten geschrieben zu sein. (...). Doch da ist der See, (...) da ist das Dorf, in dem man daheim ist, auch wenn die Autobahnen und Gewerbegebiete immer mehr Land fressen – ein Ort, an dem das ‹Gerede von der Welt als globalem Dorf› definitiv zu dem wird, was es ist: pseudomoderner Unsinn nämlich. Und es ist auch der Ort der Kunst und der Literatur, die ‹allein›, wie der reflektierte, politisch hellwache Neoromantiker Kelter emphatisch betont, ‹die Utopie einer lebenswerten, menschlichen Instinkten und Atavismen überlegenen Welt› aufrecht zu erhalten vermögen (...).»
Lesen Sie die ganze Rezension von Klaus Hübner auf
www.literaturkritik.de
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Warum Intellektuelle schweigen – Jochen Kelters schmerzhafte Essays: Eine Ostschweizer Nachlese zum Jahresende. Aus
Saiten. Ostschweizer Kulturmagazin von Richard Butz
«Jochen Kelter, seit 35 Jahren deutscher Schriftsteller in der Schweiz, nennt drei Gründe, warum die Intellektuellen, vorab die linken, heute meist schweigen: Die Presse- und Medienkonzentration zusammen mit dem Verlust von Gegenöffentlichkeit; die Angst der Intellektuellen, als Strafe für Engagement ihre Stellung zu verlieren; der Zeitgeist, der eindeutig nicht nach links tendiert. Kelters Analyse in ‹Das Schweigen der Intellektuellen› eröffnet seinen Essayband ‹Ein Vorwort zur Welt›. Entstanden sind diese Essays und Texte aus der Schweiz zum ‹Leben mit Grenzen› in drei Jahrzehnten. Glänzend geschrieben, ist ihre Lektüre sehr empfehlenswert, obgleich streckenweise schmerzhaft. Denn es geht oft um Verlust und Veränderungen. Fast tröstlich der Schluss in ‹Die Entsorgung des Rütli›: ‹Die Schweiz ist, im Verlauf nicht einmal eines Jahrzehnts, ein ganz normales Land mit ausgeprägten Eigenheiten geworden, die sie hoffentlich behalten wird.›»
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Fremde Heimat. Über Jochen Kelters Essays aus der Schweiz – Eine Betrachtung im
Südkurier
«Die hier vorgelegten Texte ‹aus der Schweiz› sind nur die erste Hälfte. Die aus Frankreich und Deutschland - Ländern, in denen der ‹Thurgauer› Jochen Kelter ebenfalls lebte oder gelebt hat, kommen später nach. Schade fast – hätten wir alles auf einen Schlag bekommen, hätten wir diesen wohltuend ruhelosen, erfahrungshungrigen Autor voller im Blick gehabt. Anders war es buchtechnisch nicht zu machen. (...) Hier eine Kostprobe (...): ‹Die Schweiz hat nur eine Chance, dem Schicksal so vieler mehrsprachiger, multikultureller, pluriethnischer Nationen am Ende des 20. Jahrhunderts zu entgehen. Sie muss, zum ersten Mal seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begreifen und akzeptieren, was sie ist, aus was sie besteht, was – jenseits eines reaktionärmonumentären Dogmas – ihre Existenz ausmacht. Sie müsste sich – ich wähle die Zeitform absichtsvoll hypothetisch – 200 Jahre nach der Helvetik, 150 Jahre nach der Verfassung des Bundesstaats, eingestehen, dass sie nicht mythologischen Urzeiten, vielmehr dem 19. Jahrhundert entstammt und ihr Weiterbestehen mithin keineswegs Gottes ausgemachter Plan ist.›
Das ist trefflich – eine imaginative, fast visionär anmutende Kritik aus Respekt, aus Empathie, aus Hoffnung, um die den Autor jeder Historiker der Ideen und Mentalitäten beneiden kann.»
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Weil ich hier fremd bin. Der Thurgauer Schriftsteller Jochen Kelter hat ein kritisches Liebesverhältnis zu seiner Wahlheimat. Aus
St. Galler Tagblatt von Brigitta Hochuli
«Der kleine Band versammelt Aufsätze zu Jochen Kelters Befindlichkeit in der Schweiz seit 1981. (...) Noch 1988 hatte der gebürtige Kölner als einen der Gründe, warum er im Thurgau lebe, angegeben: ‹Weil ich hier fremd bin.› In Paris finde er heim, schreibt er in einem der bisher unbekannten Texte. Ins Alemannische aber, wo er seit 40 Jahren lebt, sei er hineingeraten wie in eine fremde Stube. Er trete sich in der Erinnerung selber als Fremdling entgegen. Ein angepasster ist er nicht.
Wie Landvogt Gessler in Max Frischs ‹Wilhelm Tell für die Schule› leidet Jochen Kelter unter dem Föhn. ‹Andauernd meint man, etwas könnte ins Rutschen kommen.› Die Schweiz, schreibt Kelter, müsste sich als einen ‹dem Wandel unterworfenen politischen Staat statt als amorphes Urgestein begreifen›. Denn die Schweiz hätte mehr zu bieten als ‹Wagenburgenmentalität, hochgezogene Folklore-Schotten, dampfend-dumpfen Volkswillen und Abzocker-Mentalität›. (...)»
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Eine Gegend, die eigentlich keine ist – Die Bodenseeregion als seelenlose Hülle und die Vorstellung der Provinz, dazu das Überschreiten von Grenzen: Jochen Kelter greift alle diese Themen auf. Aus
Der Landbote von Madeleine Stäheli Toualbia
«‹Ein Vorort zur Welt› ist zumindest kein Vorort zur Hölle. (...) Die Essays im neuen Buch von Jochen Kelter (...) beschreiben keine Hölle, aber Räume des Schweigens. Gemeint sind Gegenden wie die Bodenseeregion, die ihre Seele verlieren, Grenzen, die Zusammengehörigkeit zerschneiden. Überschaubares Dorfleben kontrastiert mit einsamer Weite der Landschaft. ‹Wir leben in einer Gegend, die gar keine ist›, schreibt Jochen Kelter in ‹Wiesen und Wasser, Wolken und Wind›. Wo sich die Menschen morgens ins Auto setzen und zum Kanton hinaus zur Arbeit fahren. Auf Bahnhöfen stehen und auf den Zug nach Winterthur oder Zürich warten. (...) Vororte sind bei Kelter überall. Die Welt beginnt für ihn dort, wo Grenzen verlaufen.»